Das Gerede von Kampfdrohnen als humanen Waffen

Das Gerede von humaneren Waffen

Die aktuelle Drohnendebatte ist wieder im vollen Gange und wir erleben gerade wieder geschicktes ‚framing‘ von Seiten der Waffenbefürworter (z.B. Herr Bittner vom US-nahen German-Marshall Fund). Es ist die Rede davon, dass Drohnen den Krieg humaner machen würden. Dieses Argument ist falsch und fehlgeleitet, denn es leidet unter zwei Fehlschlüssen. Der eine ist terminologischer Art und basiert auf einer Unkenntnis der Moralphilosophie. Der andere basiert auf einem ein ungenauem Technologieverständnis, genannt Technik-Determinismus. Sowohl der moralische als auch der technologische Fehlschluss werden instrumentell dafür genutzt, um die Anschaffung von Kampfdrohnen vor der Bevölkerung zu legitimieren. Ziel dieses Beitrags ist es, diese moralisierenden Argumente, welche der Legitimierung der Anschaffung von Drohnen dienen, genauer zu durchleuchten. Der Beitrag spricht sich somit nicht genuin gegen Drohnen aus, sondern nur gegen bestimmte Einsatzformen wie im Rahmen des Schattenkrieges der USA in Pakistan.

Terminologie: Inhuman, Unmenschlich, Unmoralisch

Die These, dass Drohnen einen humaneren Krieg erlauben, ist terminologisch problematisch, denn sie verwechselt den Begriff ‘human’ mit ‘moralisch’. Krieg, so argumentieren Einige (u.A. Hobbes, Clausewitz, Freud, Cohen), zeige das Wesen des Menschen. Menschen seien kriegerisch, solange stabile Regel- und soziale Systeme ihr egoistisches Handeln nicht begrenzen. Diese Weisheit ist so alt wie Hobbes und wird untermauert durch Erkenntnisse der Biologie. Wir teilen einen Großteil unseres Erbguts mit Schimpansen, welche gegen benachbarte Gruppen Krieg führen, während andere Affenarten weitaus weniger aggressiv sind. Das heißt der Krieg ist genuin human in dem Sinne, als das er Teil der menschlichen Abstammung ist. Man könnte auch sagen, er gehört zur Natur des Menschen. Krieg ist also menschlich. Ein Krieg mit künstlichen Lebensformen ist in dieser Lesart eben keinesfalls human sondern eben künstlich, weil er den Menschen an den Rand stellt. Kriege mit „künstlichen Intelligenzen“ sind eben auch künstliche Kriege, oder auch Stellvertreterkriege, da sich automatisierte Roboter an Stelle von Menschen bekämpfen. Sollte dieses Szenario Realität werden stellt sich die Frage, warum wir überhaupt künstliche Kriege brauchen.

Was die diversen Drohnen-Autoren vermutlich sagen wollen ist, dass Drohnen den Krieg angeblich moralischer machen würden, da im Sinne des Utilitarismus Leid vermindert werde. Sie verwenden das Wort human im Sinne von moralisch wünschenswert. Damit erkennen sie an, dass Kriege fast immer moralisch fragwürdig sind. Kriege torpedieren beinahe zwangsläufig diverse Grundrechte (Würde, Recht auf grundlegende Versorgung usw.) und stehen somit gegen alle zivilisatorischen Errungenschaften. Das zeigt sich allein darin, dass es keinen Krieg gibt, in dem keine Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen stattfinden, die zentrale Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien ad absurdum führen. Mit den Krieg stirbt die Wahrheit, wie es so schön heißt. Kriege sind nicht moralisch, vor allem nicht im einem universalistischen Sinne (ein Problem der Lehre vom gerechten Krieg nach Augustinus und Anderen ist ein Festhalten an der Annahme, dass es universale moralische Prinzipien gebe, die für alle Menschen gleichermaßen gültig sind. Das ist in der Moralphilosophie strittig.)

Moralische Technologie?

An der Immoralität des Krieges ändern Waffen übrigens wenig. Bisher wurden die meisten neuen Waffen mit dem Argument eingeführt, dass sie den Krieg weniger verlustreich machen. Die Einführung des Schießpulvers erlaubte es, über Distanz zu töten weshalb brutale Schwertkämpfe entfielen. Die Einführung des Panzers als Moderne Kavallerie wurde mit dem Schutz der eigenen Soldaten begründet, welche im Innern des Panzers sitzen. Flammenwerfer wurden damit begründet, dass man Gräben und Höhlensysteme säubern könne, ohne die Anlagen verlustreich stürmen zu müssen. Kampfflugzeuge wurden mit dem Grund legitimiert, dass sie Stellungskriege aufweichen und die Piloten aus „sicherer Höhe“ den Gegner vernichten können. Die gleichen Argumente finden sich auch bei der Legitimierung von Nuklearwaffen, Giftgas im 1. Weltkrieg, Napalmangriffen in Vietnam, „surgical strikes“ in den Irakkriegen usw… Es ist das universelle Argument der Waffenindustrie.

Allerdings ist es ein falsches Argument, denn es verkürzt die Realität auf zweierlei Weise. Es wird behauptet, dass Technologie einen sozialen Effekt determiniert: wenn wir Waffe X einführen, dann wird der Krieg automatisch moralischer (weil z.B. weniger Tote angenommen werden). Dies ist in der Soziologie gemeinhin als Technikdeterminismus bekannt und ein bekannter logischer Fehlschluss den wir z.B. aus der Debatte um die Facebook-Revolutionen kennen. Der logische Fehler beruht auf einer künstlichen Trennung der Welt der Technologie und der sozialen Wirklichkeit. Tatsächlich sind Technologien aber immer sozial in dem Sinne, als dass sie interessengeleitet gebaut werden (goal oriented construction) und für bestimmte soziale Zwecke eingesetzt werden. Sie sind demnach sozial bestimmt. Eine Waffe ist dafür ‚designed‘, ein Objekt auf eine hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen, welche beim Aufprall auf menschliches Gewebe tödlich sein kann. Besonders problematisch wird es, wenn die Drohnen hin zur automatisierten Zielerkennung und Tötung entwickelt werden (Automatismusargument). Wenn wir jetzt die relevanten Erkenntnisse der Moralphilosophie hinzufügen die sagen, dass nur wissentliche Akteure mit eigenem Willen moralische Handlungen begehen können (d.h. Tiere können per Definition nicht moralisch handeln sondern nur Menschen), dann zeigt sich, dass es die Menschen sind, welche die Moralität eines Krieges definieren, und nicht die technischen Artefakte selber. Technische Artefakte besitzen keinen inhärenten Moralwert. Dieser wird nur im Diskurs um die Technologie von Waffenadvokaten der Technologie behauptet. Die Behauptung, dass Drohnen also den Krieg humaner, also moralischer machen ist eine künstliche Legitimationsfigur (framing).

Rüstungsdynamiken und Realität des Krieges

Das Argument, dass neue Waffen den Krieg moralischer machen ist übrigens zusätzlich noch eine Verkürzung der Realität, denn es wird angenommen, dass die Anschaffung einer neuen Technologie einen technologischen Vorteil verschafft, der nicht ausgeglichen werden kann. Mit der Einführung beinahe jeder neuen Waffentechnologie wird argumentiert, dass Schießpulver/Panzer/Drohnen unsere Verluste und Verwundete reduzierten. Dem Argument liegt aber die heimliche Annahme zugrunde, dass der Gegner seinerseits auf dem alten technologischen Level verharre, welcher mit der Einführung einer neuen Waffengattung als überwunden geglaubt wurde. Allerdings kennen wir Rüstungsdynamiken und Rüstungsspiralen und haben genügend empirische Befunde darüber, dass die Aufrüstung bei X eine Kompensation bei Y hervorruft, welche die Effekte einer neuen Technologie nivelliert. Panzer führen zu Panzerfäusten und Minen, Flugzeuge führen zu Flugabwehrgeschützen und Abfangjägern usw.. D.h. es ist naiv zu glauben, dass der Sicherheitsgewinn für die Soldaten ein absoluter wäre. In Wirklichkeit ist dies ein temporärer, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis es adequate Gegenmaßnahmen gibt (z.B. Störung der Elektronik oder Unterbrechung der Funkverbindung zum Steuern der Drohne). Oftmals zeigt der Gegner dabei erstaunlichen Einfallsreichtum, was wir gegenwärtig in Afghanistan beobachten können. Wenn z.B. die globale Kommunikation überwacht wird, dann verwendet man eben wieder traditionelle, nicht elektronische Kommunikationswege, welche das Argument der digitalen Massenüberwachung ad absurdum führen.

Was für Kriege eigentlich?

Das letzte problematische Element an der Drohnendebatte ist das Ignorieren des Kontexts des Krieges. Es wird argumentiert, dass Drohnen durch Luftraumüberwachung unsere Soldaten in schwierigem, großflächigen Terrain schützen können. Man denkt dabei natürlich an das Afghanistanszenario oder auch Mali [ich danke für den Hinweis eines Lesers]. Die großen, unwirtlichen Landflächen sind quasi die Basisprämisse für den Einsatz von automatisierten Drohnen, weil konventionelle Aufklärer zu teuer und nicht so langfristig einsetzbar sind. Ferner existiert hier eine positive Kosten/Nutzen-Relation: mit einer Drohne kann man ein großes Territorium abdecken, was normalerweise tausende Fußsoldaten in Anspruch nehmen würde. Der Afghanistankrieg ist sozusagen der ‚fertile ground‘ für den Drohnenkrieg, wie Dr. Sandro Gaycken in seinem Buch über den Cyberwar argumentiert. Es ist nicht zu leugnen, dass Afghanistan und Drohnen gut zusammen passen. Allerdings dreht sich die Diskussion sowohl bei uns als auch in den USA dahin, dass ein zweites Afghansitan nicht mehr gewünscht wird. Die westlichen Gesellschaften sind kriegsmüde und wollen sich auf solche Abenteuer nicht mehr einlassen. Wenn wir aber Antiterror-Einsätze wie den in Afghanistan (oder den Drohnenkrieg in Pakistan) künftig nicht mehr verfolgen, verschwindet auch der ‚fertile ground‘ für den Einsatz von Kampfdrohnen. Wenn Deutschland seine Außenpolitik aktiver gestalten will, wie Bundespräsident Gauck gerne predigt, dann muss man feststellen, dass bewaffnete Drohnen nicht in jedes Einsatzszenario passen. Die Einsätze, in denen die Bundeswehr in den letzten Jahren aktiv waren sind im Setting des Peacekeeping, Statebuilding und humanitären Einsätzen zu verorten. Innerhalb dieser Einsätze ist effektive Konfliktnachsorge und Bearbeitung aber viel wichtiger als state-of-the-art militärisches Gerät. Was in diesen Einsätzen gebraucht wird ist vor allem ziviles Personal: Richter, Polizisten, Ausbilder und Lehrer. All jene, die das euphemistische Brunnen- und Mädchenschulenbauen voran treiben.

Das bedeutet, dass die Debatte darüber, ob wir Drohnen wirklich brauchen mit der Frage zusammen hängt, wie die deutsche Außenpolitik zukünftig aussehen soll. Wenn Deutschland sich als amerikanischer Hilfssheriff verstehen will, dann machen bewaffnete Drohnen natürlich Sinn. Wenn Deutschland sich auf seine traditionell starke zivile Komponente der Konfliktbearbeitung konzentrieren will, dann machen mit Waffen ausgerüstete Drohnen weniger Sinn (denn als illegal wahrgenommene Drohnenangriffe auf eine Zivilbevölkerung illegitimeren humanitäre Interventionen und deren Absichten). Dies sollte die Politik sorgfältig abwägen (etwa im Sinne eines Parlamentsvorbehalts). Dennoch könnten Drohnen tatsächlich zur Aufklärung verwendet werden, um etwa Migrationsströme beobachten zu können. Hier stellt sich aber die Frage, ob es dazu unbedingt Kampfdrohnen braucht. Der Sinn, Zweck und die Moral von Drohnen liegt also in der Anwendung (Einsatzpraxis): wenn wir Drohnen in einem humanitären Kontext anwenden, dann können wir mit ihrer Hilfe durchaus eine moralische Komponente vermitteln. Nicht umsonst experimentiert Amazon mit Transportdrohnen, welche z.B. UN-Hilfsgüter in schwer zu erreichende Regionen bringen könnten. Ein solcher Akt des Gebens wäre ein moralischer, welcher durch Drohnen bewerkstelligt werden könnte. Die Moral hängt aber an uns, nicht an den Drohnen.

Ziel dieses Beitrages war es, die moralisierenden Legitimationsfiguren der Drohnenbefürworter zu korrigieren. Der Text ist kein Plädoyer für oder gegen Drohnen per se, wohl aber ein Statement gegen illegale Einsatzkontexte wie der des Schattenkriegs in Afghanistan oder die Verwendung von Drohnen zur Massenüberwachung. Wer weitere, inhaltliche Argumente zur Drohnendebatte sucht, sei auf den wissenschaftlichen Artikel von Frank Sauer „Einstiegsdrohnen: Zur deutschen Diskussion um bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge“ verwiesen.

 

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