Die deutsche Bahn verwendet seit geraumer Zeit den Begriff „Verzögerungen im Betriebsablauf“ als Ersatz für die unpopuläre „Verspätung“. Verzögerungen im Betriebsablauf, was ist das eigentlich. Während noch im Winter zahlreicher Schneefall häufig zur Verwendung dieses Kunstwortes führte, bisweilen aber auch ein Bahnstreik die Ursache war, durfte ich heute Zeuge von einer Vielzahl möglicher Erklärungen werden.
Der Ablauf ereignete sich wie folgt: Nach ungefähr 5 Minuten Wartezeit im auf dem Gleis stillstehenden Zug meldete sich der Lokführer und kündigte eine verspätete Abfahrt aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablaufes an. 10 Minuten später erfolgte eine scheinbar interne Durchsage an einen Lokführer des Zuges 3033, also dem zweiten Zugteil des Zuges, dass der Personalwechsel nicht in Erfurt, sondern im Folgebahnhof Vieselbach stattfindet. Diese Ankündigung über den öffentlichen Lautsprecher wiederholte sich kurz darauf wieder. Das ist insofern beachtlich, als das man davon ausgehen sollte, dass die Bahn über interne Kommunikationskanäle verfügt. Wenig später wurde erklärt, dass der Personalwechsel nun doch in Erfurt stattfindet. Für den Bahnkunden und Beobachter stellte sich der Vorfall so dar, dass wohl ein Lokführer nicht zur Schicht erschienen ist und man nun eifrig einen Ersatz gesucht wird. Nach rund 30 Minuten stillstehender Verspätung wurde aus fehlendem Personal plötzlich ein defektes Gleis. Wenig später erfolgte die künstlerisch wertvolle Umdeutung zum Begriff „Bahnbetriebsunfall“.
Die Erkenntnis dieser Episode stellt sich mir also wie folgt dar: eine Verzögerung im Betriebsablauf soll eine Assoziation mit einer laufenden Maschine erzeugen, bei der eine kleine Veränderung zu Komplikationen im Gesamtsystem führen. Ein Zugnetz ist immerhin ein hochkomplexes System. In der Wirklichkeit sind die besagten Verzögerungen aber nur ein Code für: „Wir haben es verbockt, sie kommen leider zu spät.“ Momentan fährt der Zug, mal schauen wie lange noch.