connecting the dots: Vorratsdatenspeicherung

Good news first. Der EUGH hat die umstrittene Vorratsdatenspeicherung gekippt. Der ehemalige Bundesdatenschützer Schaar dazu:

In der Substanz bestätigt der EuGH die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung: Die generelle, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten ist weder mit dem Grundrecht auf Achtung des Privatlebens noch mit dem Grundrecht auf Datenschutz vereinbar.“

Immerhin, die neue Bundesdatenschützerin, die eigentlich mal Unterstützerin der Vorratsdatenspeicherung war, zweifelt nun immerhin offen am Sinn der Maßnahme. Vielleicht wird ja doch noch was aus ihr. Wie man als Advokat des Datenschutzes eigentlich reagieren sollte, zeigt der ehemalige Verfassungsrichter Heribert Prantl in einem Beitrag in der Süddeutschen.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zerreißt die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Er proklamiert, dass der Datenschutz mehr ist als ein papierener Artikel. Bisher stand dieses Grundrecht still und stumm wie das Männlein im Walde in der Grundrechtecharta der EU. Nun ist der europäische Datenschutz lebendiges Recht. Nun hat er Kraft und Macht und Potenz. Die Vorratsdatenspeicherei nach Brüsseler Gusto und Maßlosigkeit ist zu Ende. Auf EU-Vorschriften kann sich der nationale Gesetzgeber bei der Vorratsdatenspeicherung nicht mehr berufen.

Grund zum Feiern also? Eher nicht. Heise analysiert, dass die Vorratsdatenspeicherung vermutlich wieder über die EU-Hintertür auftauchen wird, wenn sich die Aufregung etwas gelegt hat. Das ist wahrscheinlich, wenn man sich die Reaktionen der (konservativen) Befürworter ansieht. Gestern sagte, der von mir eigentlich geschätzte Innenminister de Maizière, dass sich alle Fachleute über den Nutzen der Maßnahme einig seien. Das ist, milde formuliert, entweder eine fiese Übertreibung oder schlichtweg einseitig. Es gibt zahlreiche (teils unabhängige) Studien, die der Vorratsdatenspeicherung einen Nutzen, im Hinblick auf die zu erreichenden Ziele, absprechen. Z.B. vom Max Planck Institut, vom Bundesjustizministerium, die Analyse vom AK Vorratsdatenspeicherung oder hier. Diverse Experten mit denen ich gesprochen habe, zweifeln am Sinn und Zweck der Maßnahme zur Erreichung der genannten Ziele (Terrorprävention), da Terroristen einfach auf andere, nicht digitale, Technologien ausweichen würden (irgendwie logisch). Vielmehr zeigen einige Untersuchungen, dass die Vorratsdatenspeicherung vorrangig für „petty crime“ eingesetzt wird, also Drogendelikte, Diebstahl usw., also Dinge, die eigtl. in den Bereich normaler Polizeiarbeit fallen. Da stellt sich die Frage, ob es verhältnismäßig ist den Generalverdacht einzuführen, die Grundrechte von Millionen EU-Bürgern zu verletzen nur um ein paar Junkies zu fangen (die man mit konventioneller Polizeiarbeit weitaus besser kriegt, wenn man die Polizeibehörden mal anständig ausstatten würde). Die Fachleute, die der Innenminister meint, sind vermutlich die üblichen Verdächtigen: Geheimdienste und BKA, die natürlich ein Interesse an der Maßnahme haben, denn die NSA Affäre beweist einen ganz konkreten Nutzen von VDS: nämlich Massenüberwachung und Profilerstellung Verdächtiger (in dem Fall ganze Bevölkerungen). Ich verweise auf meinen Blogbeitrag „why its not just metadata“.

Die zweite Verteidigungslinie ist noch bedenklicher. Bayerns Innenminister Herrmann sagte soeben in einem Deutschlandfunk statement, dass die Vorratsdatenspeicherung schnellstmöglich, notfalls ohne die EU, eingeführt werden muss. Herrmann gehört zu denjenigen die ständig argumentiert haben „es ist EU recht, wir müssen das machen“. Jetzt wo Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Grundrechte verstoßen, gilt dieses Rechtsverständnis offensichtlich nicht mehr. Hauptsache überwachen, in guter NSA Tradition, denn die ist laut Heise der Vater im Geiste dieser Technologie. Ferner bedenklich ist eine klammheimliche Erweiterung des Einsatzgebietes in diesem Interview. Der EUGH hat u.A. bemängelt, dass die Klausel „schwere Straftaten“ viel zu weit gefasst und undefiniert ist. Frühere Hardliner sprachen immer von den drei „great evil“: Terroristen, Massenvernichtungswaffen und organisierte Kriminalität, gegen die die VDS angeblich nutzen soll. Natürlich müssen diese drei Übel bekämpft werden, aber eben im Rahmen geltenden Rechts. Anstatt schwere Straftaten enger zu fassen, wie es das Urteil vorsieht, erweitert Herrmann die Straftaten um „schweren sexuellen Missbrauch, Entführung, Mord, Totschlag und Terrorismus“, also quasi das Tagesgeschäft der Polizei. Damit will er scheinbar die VDS für den normalen Überwachungsalltag legitimieren. Ein abstruses Rechtsverständnis. 

PS: Wo wir gerade bei Rechtsverständnis sind. Herrmanns Parteikollege und ehemaliger Supergrundrechtminister Friedrich gratuliert dem wiedergewählten rechtsaußen Präsidenten Ungarns, Herrn Orban recht herzlich zur Wiederwahl. Herr Organ torpediert schon seit Jahren essentielle demokratische Grundrechte in Ungarn, etwa durch Einschränkung der Pressefreiheit oder diverse domestische Überwachugnsmaßnahmen. Der Rest der Bundesregierung schweigt. Immerhin.

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Ein Gedanke zu „connecting the dots: Vorratsdatenspeicherung

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